Ehrfurcht! Nur ein Wort! Damit wäre eigentlich schon alles zum aktuellen Joachim Witt gesagt, der es als Mitsiebziger gerade nochmals so richtig krachen lässt. Ehrfurcht – vor der imaginären Mosesfigur, mit weißem Rauschebart und grauem Haupthaar, inmitten von Schwarz-Weiß-Brachialität. Ehrfurcht – vor der Lebensleistung und der Witt’schen Reflexion auch tiefer Furchen und Lebenstäler, wie seiner Container-Episode. Ehrfurcht – vor den Songs und dem treibenden Industrial-Sound, mit dem er heute mehr denn je die Ohren einfangen kann! Ehrfurcht – vor der Performance und dem Gesamtkunstwerk, immer wieder aufzustehen; und vielleicht spürt man bei Witt ab und an sogar etwas Demut vor sich selbst, wie auch schon im älteren „Geh Deinen Weg“?
Die NDW war grob gesprochen vielfach nichts anderes als Deutsche Marschmusik, die auf einer Popspur ein paar Jahre nicht mehr bremsen konnte. „Beamtenmusik“, wie Mike Neun, damals bei Semaphore, es nannte. Joachim Witt hatte auch früher schon den Stakkato-Grundrhythmus intus. Der ist ihm bis heute rostfrei geblieben! Kantig, ruppig und treibend nach vorne gerichtet! Da passte sogar eine Schweizer Metalband in den Support. Das aktuelle Album „Der Fels in der Brandung“ ist ein Meisterwerk! Mit „…Erfahrung und Bedacht…“ auch als in Kreativität gegossener Rückblick auf sein Leben zu verstehen. Seine Texte reflektieren einen Wegweiser in der heutigen Welt! Ab der Aufkicknummer „Propaganda“ dominieren seine neuen Songs und Botschaften auch live im Nürnberger Hirsch. Die Frage „…fühlst Du mich? Ich suche Dich?…“ (aus „Hörst Du mich“) haben die Fans mit Intensität beantwortet. „Ihr habt den Falschen geglaubt…“, so die Reminiszenz von „Signale“. In „Revolution“ gibt Witt auch den Mutmacher: „Wir sind nicht allein, und schon gar nicht verloren…“ und zeigt einen Weg zu einer Revolution gegen die Dummheit. Sein aktuelles Album glänzt voller Perlen. Mein Favorit ist das episch in den Keyboardsounds ausholende „Träume im Gegenwind“ und Textzeilen wie „Ich denke nur noch gegen den Strom / in einer Welt, die mich nicht verschont / die Hoffnung ruft und zündelt in mir / … bin ich bereit für die Suche nach… meiner Welt…“. Eine Welt, die auch unsere ist! Live baute er auch so grandiose ältere Nummern wie „Die Erde brennt“, „Es regnet in mir“ oder „Geh Deinen Weg“ ins Set mit ein, bei dem final die Hitperlen Flut, Reiter und Herbergsvater eher der Vollständigkeit halber nicht fehlen durften. Die Botschaft des heutigen Joachim Witt aber ist in seinem aktuellen Album verortet! Chapeau! (Bernd Schweinar)
Die ganze Bilderstrecke zum Konzert hier: https://www.allmusic.de/bildergalerie/witt-joachim/