Hans Traxler wurde vor wenigen Tagen, am Dienstag nach Pfingsten, 95 Jahre alt. Dass er der bedeutendste lebende Zeichner und Cartoonist hierzulande ist, das lässt sich am überzeugendsten wohl so illustrieren: In Frankfurt am Main, am Museumsufer, da findet sich auch ein Haus namens „Caricatura“. Wer dieses „Museum für Komische Kunst“ besucht, wird dabei von einer monumentalen Elch-Skulptur begrüßt. Diesem Tier in Menschengestalt gelingt es nur mit Mühe, sein Schaufelgeweih unter einem Schlapphut und sein graues Fell unter einem Mantel zu verstecken. Als Galionsfigur geht dieser Elch seinerseits auf eine sehr berühmte Karikatur zurück, für deren Text zwar F. W. Bernstein verantwortlich zeichnete („Die schärfsten Kritiker der Elche / waren früher selber welche!“), bildnerische Gestalt aber hat ihr niemand anders als Hans Traxler verliehen.
Geboren in Herrlich
Bevor Hans Traxler aber nach Frankfurt kam, war der 1929 im böhmischen Herrlich (die Ortschaft ist längst dem Braunkohletagebau zum Opfer gefallen) eng mit Regensburg verbunden. Hierher, so erzählt es sein Sohn Stefan Traxler (der als Architekt das Haus der Bayerischen Geschichte entworfen hat), hatte es ihn im Zuge der Wirren nach Ende des zweiten Weltkriegs gemeinsam mit seiner Mutter hierher verschlagen. Der Vater war verschollen. Die Mutter verstarb kurze Zeit nach Ankunft. Dass der hiesige Pfarrer, den der halbwüchsige Hans Traxler in seiner Not hinzugebeten hatte, aber die Letzte Ölung verweigerte, und zwar unter dem Hinweis auf sein noch nicht beendetes Abendessen, das war wohl ausschlaggebend dafür, dass aus ihm ein lebenslanger Kritiker des allzu Bigotten und des Überkatholischen wurde. Leser und Leserin von „Fünf Hunde erben 1 Million“ – das Kinderbuch ist 2008 in der in Regensburg beheimateten „edition buntehunde“ in Neuauflage erschienen – können bei der Lektüre ein spätes Echo nicht nur dieses Jugendtraumas vernehmen, sondern auch davon, dass der Stachel des Todes nicht bestimmend werden darf, wenn es um die Weiterexistenz der Hinterbliebenen geht: Da sind es nämlich die im Titel genannten Hunde, die allesamt über menschliche Stimmen verfügen, die sich aber vom Tod ihres Frauchens Miss Lizzy ganz und gar nicht unterkriegen lassen. Sondern, nachdem sie von Papagei Ludwig genasführt worden waren, auf ihre beiden Hinterfüße stellen. Und anschließend sämtliche Hebel in Bewegung setzen, um für alle Zukunft kein Hundeleben führen zu müssen. Für „bunte hunde“-Verleger Herbert Wittl war das ein Glückstreffer: Er war antiquarisch auf das damals längst vergriffene Buch gestoßen und fragte kurzerhand bei Hans Traxler per Mail an, ob er Interesse hätte, an einer Neuauflage. Das war reichlich vorhanden – und obwohl sich Verleger und Autor nie persönlich kennenlernten, wurde die Neuedition zu einem großen Erfolg.
Eine von Hans Traxlers Illustrationen aus „Fünf Hunde erben 1 Million“. Der Regensburger Verlag edition buntehunde hat es behutsam überarbeitet und neu aufgelegt. Es erzählt vom Riesenärger, den es bei der Verlesung des Testaments der verstorbenen Miss Lilly gibt: Die alte Dame hat ihre prächtige Villa nicht etwa ihren beiden Neffen, sondern ihren fünf Hunden und dem Papagei Ludwig vererbt. Die Neffen finden das gar nicht komisch. (Fotokredit: edition buntehunde)
Methusalemisches Alter
Der in Amberg lebende Schriftsteller Eckhard Henscheid ist mit seinen 82 zwar ein bisschen jünger als Hans Traxler – er kann den Ehrgeiz des Kollegen aber nur bestätigen. Beide sind sie noch höchst aktiv, gehen schwimmen und arbeiten täglich mehrere Stunden. Sie waren zunächst Mitbegründer der beiden Satirezeitschriften „pardon“ und „Titanic“. In der Letztgenannten verfasste Eckhard Henscheid unter dem Titel „Erledigte Fälle“ bitterböse Porträts über prominente Zeitgenossen. Und Hans Traxler verlieh diesen in erbarmungswürdiger Weise durch den Kakao gezogenen Figuren ein karikaturenhaftes Antlitz. Henscheid möchte nicht einfach am Telefon einen Satz formulieren, er bittet um einen Tag Bedenkzeit und legt dann folgende kleine Würdigung vor: „Hans Traxler war zwar 1962 eines der Gründungsmitglieder der damals ans Tageslicht tretenden Satirezeitschrift ‚pardon‘ und mithin auch der später sagenhaften ‚Neuen Frankfurter Schule‘ – er hatte und hat aber nie etwas dagegen, wenn fast alle Welt den etwas späteren Robert Gernhardt als Schuldirektor oder auch als Musterschüler dieser Schule sieht. Eitel aber ist Hans Traxler andererseits schon, wenn er gesagt kriegt, dass das satirisch-künstlerische Niveau nie so hoch war wie in jenen Jahren, nicht zuletzt durch Hans Traxlers Zeichnungen. Und richtig Selbstzufriedenheit hört man, wenn man sein inzwischen methusalemisches Alter bewundert – mit dem oft auch ausgesprochenen Nebengedanken: ein besonders gesundheitsbedachtes Leben lohnt eben doch!“
Ergänzung:
Nur am Rande sei’s abschließend und anschließend bemerkt – aber weil sich dieser Tage (genau gesagt: am 22. Juni!) das Duell zwischen der DDR und der Bundesrepublik bei der Fußball-WM 1974 jähren wird: In Ronald Rengs akribischer und detailgenauer Untersuchung „1974 – Eine deutsche Begegnung“ (gerade erschienen bei Piper, 24 Euro), da kommt Eckhard Henscheid in einem ganzen Kapitel zu Wort. Er, der damals schon nicht mehr in Amberg, nicht mehr in München und nicht mehr in Regensburg, sondern in Frankfurt lebte, war es, der per FAZ-Dialog gemeinsam mit dem Lyrikkollegen Ror Wolf dem Bundestrainer Helmut Schön Frankfurts trickreichen Dribbler Bernd Hölzenbein für die Nationalmannschaft empfohlen hatte. Der Rest ist Fußballgeschichte – denn niemand anderes als der kürzlich verstorbene Bernd Hölzenbein (der es als sportliche Mehrfachbegabung auch im Tischtennis zu Meisterehren brachte) war’s, der dafür sorgte, dass er in Hollands Strafraum so gefoult wurde, dass Schiedsrichter Jack Taylor prompt pfiff. Paul Breitner verwandelte den Elfer zum 1:1 und legte so die Basis für den zweiten WM-Titel der Deutschen.
Peter Geiger