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Die Klarheit jenseits der Ordnung

Am 7. Juni wird im Leeren Beutel die große Retrospektive „I love you so“ von Jürgen Huber eröffnet

Darin legt der ehemalige Bürgermeister Zeugnis ab, von seinem Leben als Maler

Ja, Jürgen Huber ist ein ziemlich kommunikativer Mensch. Trifft man ihn, den ehemaligen Grünenpolitiker, der von 2014 bis 2020 als dritter Bürgermeister die Stadt Regensburg mitregierte, hier im Leeren Beutel, dann ist er ganz in seinem Element. Und das darf hier im allerwörtlichsten Sinne begriffen werden. Denn die Städtische Galerie in der Bertoldstraße, im Schatten der Minoritenkirche, sie verkörpert als weit über die Kommune hinaus strahlender Ort der Kunst wohl am besten jene Schnittmengen, die den 1954 in Altenstadt geborenen Oberpfälzer ausmachen. Seit dem Ausstieg aus der Politik widmet er sich wieder vollkommen seiner Leidenschaft, der Malerei. Und er freut sich sichtlich, dass er gerade den Aufbau seiner Ausstellung „I love you so“ begleiten kann, die am Freitag, den 7. Juni eröffnet wird und auf zwei Stockwerken rund 130 Arbeiten von ihm aus rund vier Jahrzehnten zeigt.

Permanent im Dialog

Und sogleich setzt er an, zum Dialog: Und berichtet, dass er während der Fahrt, von Schönsee, wo er sein Atelier unterhält und lebt, herunter nach Regensburg, einen Podcast gehört habe. Thema war die Geburt des Techno. Diese elektronische Spielart der Popmusik sei ihrerseits entstanden, aus einer Vielzahl von Überkreuzungen und Einflüssen, aus all dem, was Synthesizerpioniere wie Kraftwerk beigetragen hätten oder der Hip-Hopper Africa Bambaataa. Und später Bands wie Portishead, die die Klangwelten erweiterten, in Richtung Ambient. Genau so möchte Jürgen Huber auch seine Genese als Maler verstanden wissen: Als Ergebnis eines permanenten Dialogs. Als eine Verknüpfung von Gesprächsfäden. Ein Weiterspinnen von Maschen, das anschließende Verknoten neu entstandener Texturen, verbunden mit dem Drang, Verkrustungen zu lösen und aufzubrechen. Er, der die gleichzeitige Prägung durch US-Popkultur wie durch das Ideenarsenal der politischen Linken nie als Widerspruch begriffen hat, sondern als logische Ergänzung: „Weil die Kraft des Individuums der Selbstermächtigung entspringt!“ Offen und wissbegierig war er schon, als er noch in Weiden zur Schule ging. Lesen, Radio hören, ins Kino gehen. Sich für alles interessieren. Das war die Richtschnur. Vom Vater, einem Arbeiter im Glaswerk, glasklar vorgegeben. In dem sehr schönen, knapp 150 Seiten starken Katalog, der begleitend zur Ausstellung erschienen ist, lässt sich vieles davon nachlesen. Etwa, wenn Jürgen Huber im Gespräch mit Udo Hebel, der nicht nur Präsident der Universität Regensburg ist, sondern als Amerikanist auch vom kulturwissenschaftlichen Fach ist, einen Bogen schlägt, vom Jugendzentrum in Weiden nach New York. Und damit die freie Atmosphäre während der Adoleszenz dominosteinartig verbindet, mit Reisen zu Galerien und Galeristen. Oder, wie es der Journalist Christian Muggenthaler in seinem Porträt ausdrückt: „Den Kopf raus und entdecken, dass es eine Ordnung jenseits der Ordnung gibt, eine Klarheit jenseits der Klarheit.“ Ganz zentral auch, die Begegnung mit der Gruppe SPUR. Im Frühjahr 1986 war genau hier, im Leeren Beutel, eine große Retrospektive des Schaffens dieses Künstlerkonglomerats zu erleben – was Jürgen Huber mächtig inspirierte. „Maßgeblich beeindruckt“, schreibt Kuratorin Dr. Carolin-Sophie Ebeling in ihrem Katalogbeitrag über diese Begegnung mit „einer der bedeutendsten Künstlergemeinschaften“, die ihrerseits bis heute einen „elementaren Teil der Sammlung der Städtischen Galerie“ ausmacht.

Ein „Hirni“ wie Du!

Unterhält man sich mit Jürgen Huber darüber, wie seine Bilder entstehen, so wird schnell klar: Einem „ausgedachten“ Konzept folgt er nicht. Ebenso wenig kann er mit „Bildern im Kopf“ dienen, die etwa einem Traumtagebuch entstammten. Sein Malerkollege im gemeinsam gegründeten KunstvereinGRAZ, der 2007 verstorbene Wolfgang Grimm, habe sich immer wieder gewundert, wie es einem „Hirni“ wie ihm, gelingt, „völlig aus dem Bauch heraus zu malen“. Und gerade bei diesem Akt keinem rationalen Konzept zu folgen. Gleichzeitig aber spricht er davon, dass er, um „Lösungen zu finden“, seine „Hand alles von selber machen lässt“, indem er „agiert“, „hingeht“, und sich auch mal von einem Zappa-Song inspirieren lässt. Denn der Verzicht auf Imitation schließt bewusste Hommagen keineswegs aus! „Mir geht’s um das mögliche Kunstwerk – ich bin nur der Mörtelmischer, der aus Sand, Kalk und Wasser etwas Festes und Rezipierbares macht!“ Die Probe auf die von ihm über gut vier Jahrzehnte hinweg vorgelegten Exempel kann das Publikum machen, entweder zur Vernissage am 7. Juni ab 18 Uhr. Oder in den nachfolgenden zweieinhalb Monaten, bis zum 1. September 2024, in der Städtischen Galerie im Leeren Beutel. (Peter Geiger)

Dass sich Jürgen Huber auch auf anarchische Traditionen beruft, zeigt der Schnurrbart, den er sich kurzerhand aufklebt.