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Interview mit Michael Beckmann – der Bühnensturz von Regensburg

Peter Geiger im Gespräch mit Michael Beckmann

Michael Beckmann, Bassist der Rainbirds, hat ganz besondere Erinnerungen ans Audimax. Als er kürzlich mit Rocko Schamoni im Ostentorkino gastierte, redete er über seinen Bühnensturz, über die Toten Hosen und die Ärzte und auch darüber, dass er Soundtracks für ziemlich erfolgreiche Filme gemacht hat. Und ganz am Ende auch über das Tiger-Duo.

Peter Geiger: Du warst vorletzte Woche in Regensburg im Ostentorkino, und hast dabei Deinen alten Freund Rocko Schamoni bei dessen Lesung aus seinem neuen Roman „Pudels Kern“ musikalisch begleitet. Darin wird ja die Atmosphäre der 1980er Jahre heraufbeschworen. Im Anschluss hast Du mir dann erzählt, dass Du aus diesen Jahren ein ganz besonderes Erlebnis verbindest, mit Regensburg …

Michael Beckmann: Ja, ich habe mit den Rainbirds am 6. März 1988 in Regensburg im Audimax gespielt. In eine der vorderen Reihen saß eine gut gekleidete, imposante Dame (muss man tatsächlich so sagen!) und folgte mit anscheinendem Vergnügen unserem Konzert. Ich dachte mir, dass ich diese Dame mit einer Showeinlage beeindrucke und sprang zum Schlagzeugeinsatzes einer der Songs mit Anlauf auf Monitorbox, die am Bühnenrand stand, um eine etwas abgehalfterte Rockpose, die eigentlich aus dem Heavy Metal stammt mit einem Augenzwinkern zu bringen. Das aber ging gewaltig schief und ich rutsche samt der Box, auf die ich sprang, von der Bühne runter. Und anschließend fiel ich in Zeitlupe ca. einen Meter tief in den Graben. Zum Glück habe ich mich dabei nicht verletzt, sondern blieb ohne Schaden an Instrument, Leib und Seele und bin mit dem Schrecken davon gekommen. Nach dem Konzert sagte mir jemand von der Crew: „Da hast du ja einen tollen Stunt vor der Fürstin hingelegt!“ Ich würde gerne wissen, ob jemand der Leser an diesem Abend im Saal bei unserem Konzert dabei war. Denn: Vielleicht kann er oder sie ja bestätigen, ob tatsächlich Gloria von Thurn und Taxis bei diesem Konzert war? Ein Träumchen wäre es natürlich, wenn sich der Hof dazu äußern würde.

Peter Geiger: Du bist in den 80ern nach Berlin gekommen, und hast dort angeheuert, bei einer Fun-Punk-Band namens die „Suurbiers“. Der Name, hatte der was mit einem holländischen Fußballer zu tun?

Michael Beckmann: Nein, nein – der der Name „Die Suurbiers“ lautete anfangs noch „Frau Suurbier“. Das kam von Frau Suhrbier, der Nachbarin von den Tetzlaffs in der Serie „Ein Herz und eine Seele“! Diese Frau Suhrbier, die in der gesamten Serie nie zu sehen war, sie wurde in vielen Dialogen erwähnt. So wurde sie zum Running Gag dieser Kultserie.

Peter Geiger: Und dann warst Du dabei, bei den ersten beiden Rainbirds-Alben. Ich nehme an, der riesige Erfolg der Band, der kam für Euch alle damals ziemlich überraschend?

Michael Beckmann: Absolut. Wir wären zufrieden gewesen, wenn wir, sagen wir 30.000 Alben verkauft hätten, wie zum Beispiel zeitgleich „Element of Crime“, die wir ja ziemlich gut aus der Berliner Musikszene kannten. Auch mit so einem „Erfolg“ bereits hätten wir auf Tour gehen können, was ja auch unser eigentliches Ziel war. Tatsächlich wurden zwischen Anfang 1988 und Ende 1989 dann aber fast eine dreiviertel Million von unserem Debütalbum verkauft, was die Band, das Management, die Plattenfirma und die Medien komplett erstaunt und auch etwas überfordert hat. Aber diese Zuneigung und die Anerkennung von Seiten des Publikums, das war schon ziemlich überwältigend.

Peter Geiger: Dieses Debüt, das war aber von hinten bis vorne ein Spitzenalbum, vom Cover angefangen, über die Songs. Und auch, was den schmalen Grat anbelangt, zwischen ein bisschen Kommerz und sehr viel anarchischen Sounds …

Michael Beckmann: Ja, klar – wir sahen uns selbst als Indie-Pop-Band in einer Reihe mit R.E.M., mit Suzanne Vega, den Woodentops oder Tracy Chapman. Und wir haben uns im Studio viele Freiheiten rausgenommen. „Blueprint“ zum Beispiel hat ein 60 Sekunden langes zweiteiliges Gitarren-Intro, bevor dann endlich der Gesang einsetzt. So was macht man nicht, wenn man auf schnellen Mainstreamerfolg schielt! Weil es sowohl gegen die ungeschriebenen Gesetzte des Formatradios verstößt als auch gegen die Regeln für die Videovermarktung. Wir haben das damals im Studio alle zusammen ziemlich intensiv diskutiert. Am Ende aber haben wir uns ganz bewusst entschieden, gegen die Konventionen und gegen das „Format“ zu arbeiten.

Peter Geiger: Du – Michael Beckmann – Du bist mir nicht nur aufgrund des melancholischen Blicks zur Seite in Erinnerung geblieben, auf dem in blauer Farbe gehaltenen Cover des Debüts. Sondern auch deshalb, weil Du Deinen Namen auf „Beckmann“ reduziert hattest – so, wie der Protagonist in Wolfgang Borcherts Heimkehrer-Drama „Draußen vor der Tür“. Das hat in meinem jugendlichen Leserherzen jedenfalls etwas ausgelöst …

Michael Beckmann: Das freut mich! Ich wurde bereits ab der 10. Klasse einfach „Beckmann“ genannt. Das habe ich dann als Künstlernamen beibehalten. Aber ich möchte das auch ganz ausdrücklich als Hommage an meinen Vater Manni Beckmann verstanden wissen: Der stammte aus dem Sauerland und war ein Leben lang begeisterter Musiker. Später war er als Karnevalist in Langenargen am Bodensee aktiv und trat zur dortigen alemannischen Fastnacht mit seinem rund 1.000 Songs umfassenden Repertoire auf.

Peter Geiger: Kannst Du die Atmosphäre dieser Übergangsjahre – im Hintergrund vollzog sich ja das, was man die „Wende“ nennt, die Mauer war bröcklig geworden und fiel schließlich – aus der Warte desjenigen, der europaweit auf Tournee ist, ein bisschen schildern?

Michael Beckmann: Ende dieser 80er Jahre lag etwas in der Luft. Und in Berlin brodelte es ganz gewaltig! Als wir 1988 in Ost-Berlin vor über 120.000 jungen DDR-Bürgern spielten, fühlte man auf und hinter der Bühne, dass da sehr viel Verbindendes war, sozusagen „Straight from the Heart“. Das Jahr 1989 fing für mich dann direkt mit einem Paukenschlag an: Kurz vor Mitternacht fuhr ich mit Bela B., Georg Kamerun und Kiki Ressler, dem Booker der Toten Hosen, samt seiner Freundin von Schöneberg auf eine Party nach Kreuzberg, wo uns auf der Gneisenaustrasse ein völlig betrunkener Autofahrer mit 3,7 Promille und Tempo 100 frontal rammte. Ich wachte also am Neujahrsmorgen des Jahres 1989 im Krankenhaus auf, hatte aber wie durch ein Wunder außer einer schweren Gehirnerschütterung nichts weiter abbekommen.

Peter Geiger: Die Rainbirds gibt’s zwar heute noch – aber nach dem zweiten Album wurde die Band ausgewechselt. Aber Ihr kommt gut klar, bis heute, hast Du mir erzählt. Ihr macht Live-Aufnahmen aus dieser Zeit zugänglich …

Michael Beckmann: Na ja, wir Jungs haben ja nach dem Rainbirds-Split fleißig und unbeeindruckt weiter gemacht: Rod spielt bei der besten Band der Welt, den Ärtzen, der Drummer Wolfgang Glum hat für unzählige Fernsehfilme Musik geschrieben und ich für einige der erfolgreichsten deutschen Kino-Filme aller Zeiten komponiert. Die Rainbirds haben sich Anfang Dezember 2023 im Rahmen der Goldverleihung für BLUEPRINT zum ersten Mal nach 35 Jahren wiedergesehen. Und da haben wir die alten Zeiten und diesen unverwüstlichen Hit gebührend gefeiert. Die Bandenergie stimmte zur Überraschung aller. Deshalb arbeiten wir aktuell an einer Deluxe-Edition unseres zweiten Albums „CALL ME EASY“, das in diesem Jahr, wie auch mein Regensburger Bühnensturz, 35 Jahre alt wird. Es wird eine schöne Special Edition mit einem zusätzlichen Extra-Album geben. Da freue ich mich schon sehr drauf.

Peter Geiger: Du hast Deine Arbeit als Filmkomponist angesprochen. Du hast auch den Soundtrack für alle drei „Fack ju Göhte“-Filme gemacht …

Michael Beckmann: Ich bin seit 25 Jahren in der Filmmusik unterwegs und ich habe für 180 Kinofilme die Musikberatung gemacht und für ca. 40 Kino und TV-Filme Musik geschrieben. Dabei habe ich mit Wim Wenders und Oscar-Preisträger Volker Schlöndorff gearbeitet und neben der Musik für die „Fack Ju Göhte“-Filme auch für zahlreiche Formate wie Tatort oder die ZDF-Weihnachtsfilme Musik komponiert. Aktuell bereite ich einen Musikpodcast zu den 80er Jahren vor. Ich habe so einiges aus meinem bewegten Musikerleben mit sehr vielen Ups und Downs zu erzählen, und will das jetzt angehen.

Peter Geiger: Und auch mit Rocko Schamoni verbindet Dich einiges?

Michael Beckmann: Ich kenne Rocko Schamoni seit der „Damenwahl“-Tour der Toten Hosen im Jahr 1986. Rocko war zusammen mit den Goldenen Zitronen im Vorprogramm, ich war Backliner für die Goldenen Zitronen und Rocko hat zusätzlich mit Fabsi das Merchandising verkauft. Während die Toten Hosen im Nightliner, der vom Kondom Hersteller Fromms gesponsert war, bequem zum nächsten Gig rauschten, fuhren wir zu siebt in Fabsis klapperigem alten VW-Bus hinterher und mussten Nacht für Nacht bei irgendwelchen netten Menschen auf dem Teppich übernachten. Sodass wir am nächsten Tag völlig übernächtigt beim nächsten Auftritt erschienen. Und dann habe ich zusammen mit Bela B. Rockos Major Debüt in diesem völlig verrückten Sommer 1989 produziert.

Peter Geiger: Herzlichen Dank, lieber Beckmann, für das schöne Gespräch!

Michael Beckmann: Ach ja, eine Sache wollte ich doch noch ergänzen: Die erste Band meines Vaters, das war das Tiger-Duo. Nachdem ich eine alte Wersi-Orgel geerbt habe, hab‘ ich mich entschieden, eine neue Tiger-Duo Platte zu machen! Da werde ich meine Songs im alten Franz Lambert-Sound neu einspielen!

Fotokredit: Peter Geiger

Mehr infos zu Michael Beckmann unter: https://www.becktone.com/news