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Teichmann & Söhne

Kritik zum Konzert am 22. Juni im Kulturort „Falsche Farm“ in der Oberpfalz

Kirschblüten-Exkursion oder Free-Jazz-Explosion

Andere Kinder schieben ihre Eltern im Rollstuhl durch den Park. Bei der 80jährigen Jazz-Ikone Uli Teichmann und seinen beiden international arrivierten DJ-Söhnen Andi und Hannes schwankt man manchmal, wer da live gerade wen über die Tonleiter schiebt. Das ist auch das Spannende der Improvisationsstrecken zwischen dem analogen Ursprungssignal von Papas Blasinstrumenten, das dann von den Söhnen durch Loops gestreckt oder durch einen Reverbtunnel ins Unendliche auf Klangreise geschickt wird. Darauf hat Uli dann keinen Einfluss mehr, muss hinnehmen, was die Söhne aus seiner Kreativität machen. Umgekehrt merkt man Andi und Hannes durchaus an, dass sie mit ihren Sounds kämpfen, um Papa Uli irgendwie in der Spur zu halten oder in eine Richtung zu lenken. Ganz so, wie es wohl im ganzen musikalischen Leben der „Teichmänner“ schon immer war. Und wie es sich in ihren unterschiedlich Equipment-Set-Ups ausdrückt.

Legendärer „Jazzclub Kneiting“

Sie tauschen sich beim Gig mit früheren Kneitinger Nachbarn aus, erzählen, wie sie als Kinder am Tisch während mancher Konzerte eingeschlafen sind und von Freunden zugedeckt wurden – während Papa Uli und Mama Lu, die den legendären „Jazzclub Kneiting“ betrieben haben, der nach viel zu kurzer Zeit Anfang der Achtziger Jahre wegen der Lärmproblematik nach rund 170 Konzerten mit internationalen Gästen wieder schließen musste. Sie erinnern sich auch, wie die Bevölkerung die „Hippiekneipe“ anfangs boykottierte und die Dorfvereine damals sagten, sie gehen erst wieder rein, wenn Wirt Uli sich die Haare schneiden ließe. Dann aber waren sie da. Eine Symbiose, die den 80jährigen Uli Teichmann vielleicht auch heute noch mit Energie speist und auch mit Akkorden oder ganz schrägen Tonfolgen gegen die Eingängigkeit anblasen lässt.

Tonaler Fight auf der „Falschen Farm“

Im tonalen Fight mit seinen Söhne dominierten an diesem Abend auf der „Falschen Farm“, einer idyllischen Kulturlocation auf einem Einödhof in der Nähe des bayerischen Amberg, sphärisch getragene Klangteppiche. Man merkte aber auch, dass den Söhnen manchmal der Respekt vor Papas Eskapaden buchstäblich flöten ging und sie dann mit einer Vielzahl von elektronischen Sounds aufmüpfig wie einst in der Pubertät das Ruder übernahmen und den Groove im Publikum weckten. Schade, dass so ein Konzert bei einer Regensburger Institution scheinbar keinen Gefallen fand, weil es angeblich zu wenig jazzig wäre. Andererseits ein Gewinn für die oberpfälzer Region, für die ein Gastspiel der Gebrüder Teichmann mit Papa Uli Teichmann ein kulturelles Highlight bleiben wird. Und final durfte das Publikum auch wählen, in welcher Reihenfolge es eher eine klangmalerische Kirschblüten-Exkursion oder eine Free-Jazz-Explosion hören wollte.

Album „Flow“ ein musikalischer Dank

Und für mich ein auch empathisches Konzert, das den Dank der Söhne für die prägenden Einflüsse ihres Vaters dokumentiert, ohne den und die ausgefochtenen Kämpfe und musikalischen Widersprüche sicherlich auch die eigene Karriere nicht so verlaufen wäre. Das Vinylalbum „Flow“ von „Teichmann+Soehne“ ist auch ein gemeinsames Geschenk für ein prägendes musikalisches Leben zweier musikalischer Generationen. (Bernd Schweinar)

Die ganze Bilderstrecke hier:

https://www.allmusic.de/bildergalerie/teichmannsoehne/