Mit der diesmaligen Vorstellung eines Musikwerks aus der Rubrik „From the Vaults“ geht es in die Hauptstadt Bayerns, nach München. Dort war seit 1972 die Musikgruppe „Sparifankal“ (zu hochdeutsch: Teufel) musikalisch, politisch und kulturell aktiv sowie bei verschiedenen Konzerten und Anlässen zu hören. Im Jahre 1976 veröffentlichten Sparifankal ihre Erstlingsscheibe „Bayern-Rock“ auf dem Label April. Was es mit der regionalen Rockmusik von Sparifankal auf sich hat und wie man sich „Bayern-Rock“ klanglich vorstellen kann, soll für den Monat Juli im Zentrum der Reihe „From the Vaults“ stehen.
Zunächst also die Frage: Was ist eigentlich unter „Bayern-Rock“ zu verstehen? Darauf würde ich folgende, kurze Antwort geben: Eine eigne, originell interpretierte Rockmusik, verbunden mit und gesungen im bayerischen Dialekt. Oder wie es Mitbegründer, Gitarrist und Sänger Carl-Ludwig Reichert in einem Artikel der Zeitschrift „Rock Session“, Band 1, Magazin der populären Musik, differenzierter ausdrückte: „Bayern-Rock kann sein Rock in Bayern, Rock aus Bayern, Rock von Bayern und Rock für Bayern (…) Bayern-Rock bedeutet nicht den Ausverkauf unserer Sprache, nicht das Spekulieren auf die Exotik, sondern ist im Gegenteil der Versuch, uns etwas anzueignen. Die Ausdrucksform Rockmusik nämlich (…) Bayern-Rock ist die Probe aufs Exempel für unsere Sprache, auf ihre Lebendigkeit und Lebensfähigkeit.“
Damit zur nächsten Frage: Wie hört sich also diese von Sparifankal angeeignete Rockmusik am Beispiel ihrer ersten Platte „Bayern-Rock“ an? Sound und Aura der auf der Platte „Bayern-Rock“ vorzufindenden Stücke unterscheiden sich ganz gewaltig von solchen Aufnahmen, die von anderen Bands in jener Zeit gemacht wurden. Das macht die Musik von Sparifankal allerdings besonders: Ihre Musik lebt eben nicht von diesem professionell klingenden, perfekt eingespielten, glatt polierten und gezähmten Sound eines Tonstudios. Ganz im Gegenteil: Die einzelnen Stücke auf „Bayern-Rock“ bestechen durch ihren wilden, rauen, fast anarchischen Charakter. Die Musik wirkt freier, ungezähmt, spontaner, manchmal auch dilettantisch und deswegen auch irgendwie authentisch. Sparifankal prägten dafür auch den Begriff „Rübelmusik“. Bei „Rübelmusik“ kam es also nicht auf Perfektion, Professionalität und die Einhaltung musikalischer Konventionen sowie die Erfüllung von Marktwünschen an, sondern auf einen möglichst freien, musikalischen und persönlichen Ausdruck sowie auf Spontanität und Authentizität im gemeinsamen Musizieren.
Das alles wird unterstützt durch die tiefsinnigen, meist hoch politischen, gesellschaftskritischen Texte im bayerischen Dialekt: Texte, die nicht beschönigen, sondern ohne Umschweif direkt und konkret zur Sache gehen. Texte, die vor allem aus dem individuellen Empfinden, Gefühlsleben und Denken dieser Gruppe junger Musiker und Musikerinnen berichten und deswegen so faszinierend sind. Und schließlich Texte, deren Thematiken meistens im Zusammenhang mit dem links-kritischen Diskurs der 1960er/1970er Jahre stehen und dadurch auch einen Großteil der damaligen Jugend angesprochen haben dürfte. Thematisch reicht die Bandbreite auf „Bayern-Rock“ beispielsweise von der kritischen Auseinandersetzung mit der als spießig empfundenen, älteren Generation, ihren Ansprüchen, Denkweisen und Werten (Wans ums farecka nimma ged), der Kritik an Aufrüstung und die Furcht vor einem weiteren Weltkrieg (Bis zum nexdn Weidgriag), der Kritik am Kapitalismus und der politischen Führungsschicht (De Groskopfadn), bis hin zu den Themen Umweltverschmutzung (Dees Land is koid), Konsumkritik (Da braune Baaz), Hausdurchsuchung (Bluus fo da peamanentn Razzia) und dem Willen, nicht mehr gesellschaftskonform im großen Strom mitzuschwimmen und es allen recht zu machen (Aus is & goar is).
Zusammenfassend ist „Bayern-Rock“ als eine äußerst interessante und vielschichte Platte zu werten, sowohl was die anarchische „Rübelmusik“ betrifft, als auch die scharf politischen, bayerischen Texte. Es darf daher nicht verwundern, dass sich Sparifankal auch heute noch in Musiker- und Sammlerkreisen großer Beliebtheit erfreuen! (NiKu)