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Norbert Schneider Septett

Kritik zum Konzert am 28. Juli im Thon Dittmer Palais in Regensburg

Finale des Klangfarben-Festivals: „Ollas Paletti“ – ein magischer Abend mit Norbert Schneider. Der Sänger aus Wien treibt im Thon-Dittmer-Hof akrobatische Spaßettln auf seiner Gitarre und zeigt mit viel Charme und Schmäh, was für ein grandioser Entertainer er auch noch ist.

Der Faust unserer Tage, er fragt nicht nur danach, was die Welt im Innersten zusammenhält. Er muss auch darüber sinnieren, was es eigentlich ist, was die Massen zu Taylor Swift treibt. Sind’s die Songs? Oder die Arrangements und ihr Charisma? Jedes Mal kann man eigentlich nur mit den Schultern zucken. Und sich weiter wundern, dass an diesem Sonntagabend der Olympiapark in München überfüllt ist, als wäre er von einer menschlichen Termiteninvasion geflutet worden. Der Hof des Thon-Dittmer-Palais dagegen ist beim Abschlusskonzert von Michael „Magic“ Mandls Klangfarbenfestival, na, sagen wir, respektabel gefüllt. Aber keineswegs brechend voll.

Der aus Wien stammende Gitarrist und Sänger Norbert Schneider muss mit seiner formidablen Band von Anfang an Improvisationsqualitäten beweisen, ist ihnen doch an diesem Nachmittag ihr Drummer der Hitze wegen abhanden gekommen und nun zur Beobachtung „im Spital“. Aber sogleich ist klar: Der dreifache Amadeus-Preisträger (in Österreich das, was bei uns der ‚Echo‘ ist) ist ein absoluter Ausnahmekönner an der Gitarre. Obendrein weiß er zu glänzen, als Vokalist mit Personality und als Entertainer mit außergewöhnlichem Charme und Schmäh. Norbert Schneider hat eine fünfköpfige Band um sich versammelt, die sich vor dem Erbe von Gospel, Blues und Soul verneigt. Sie hat aber nicht das auf ihrer stets spontan kompilierten Playlist, was man in Wien „oide Hodern“ nennt (also abgegriffenes, längst in die Jahre gekommenes Material, mit dem sich weder Hund noch Termite anlocken ließe). Sondern: Wenn Norbert Schneider Songs covert, dann solche, die etwa vom Chicago-Blueser Magic Sam stammen, der 1969 – da war Schneider noch gar nicht auf der Welt – einem Herzinfarkt erlag. Songs also, die nur absoluten Experten geläufig sind – und die trotzdem alle hier gleich mitsingen können, weil dieses „That’s all I need“ in etwa so funktioniert wie die A-Cappella-Nummer „It’s alright“, mit der Huey Lewis über Jahrzehnte die Flamme des Doo-Wop am Lodern hielt.

Im Mittelpunkt aber steht das aktuelle Album „Ollas Paletti“: Darauf zeigt sich Norbert Schneider stilistisch markant verändert, wie nicht nur die programmatische Eröffnungsnummer „Gospel Batterie“ zeigt – sondern auch das Line-up an diesem magischen Abend. Denn mit Alexander Horstmann (der lang mit Kurt Ostbahn unterwegs war) und Manuela Diem präsentieren sich zwei Backgroundsänger, die immer wieder dann in den Vordergrund treten, wenn sie mit ihrem Bandleader in präzisester Harmonie das Loblied anstimmen auf jenen Musikstil, der für sie erklärtermaßen Religion ist. Und mit dem sie aus tiefster Seele ihrer Sehnsucht nach spirituellem Halt und Orientierung Ausdruck verleihen. Das dürfte bei ihnen übrigens nur ganz wenig mit religiösem Wahn zu tun haben, aber sehr viel mit der Passion für das Bündel an Musikstilen, die alle ihren Ursprung im Afroamerikanischen haben. Allein, wie Norbert Schneider immer wieder soliert auf seiner jadegrünen Danelectro-Gitarre (die ihren Ursprung in den späten 1940ern hat), wie er sie verschlurft zupft, bewusst eine Millisekunde hinterherhinkt, ihr sodann Triolen entlockt und andere hoch akrobatische Spaßetteln mit seinen brillant trainierten Fingern treibt, um am Ende doch exakt wieder da zu landen (nachdem sein Plektrum noch einen Looping hingezaubert hat), wo ihn die zwölf Takte des Blues haben wollen. Max Tschida (Piano und Hammond), Oliver Steger (Bass) und Georg Schrattenholzer (Posaune) assistieren Schneider. Nein, nicht wie Messdiener, die ihrem hohen Priester die Gaben zubereiten. Sondern wie Bischöfe, die das Zeug dazu haben, ihre eigene Kirche zu eröffnen, aber alles dafür tun, dass die Einheit dieses Glaubensbekenntnisses erhalten bleibt, wenn sie – da ist fast schon Schluss – gemeinsam „Herrgott, schau obi auf mi“ anstimmen und um Gottes Güte flehen. Dem Publikum entlockt das begeistertes Nicken. Der Takt gebietet es, abschließend dem erkrankten Drummer noch alles Gute zu wünschen! Deshalb „Ollas Paletti“ bei Norbert Schneider: Der Musiker und Sänger aus Wien bescherte dem Publikum zum Finale des Klangfarben-Festivals in Regensburg einen magischen Abend. (Peter Geiger)