altemaelze

Look Up

Ringo Starr

Ringo goes Country

Schon in den ersten Jahren der Beatles gab es Einflüsse auf die Band, die weit über die Rock’n’Roll-Pioniere hinausgingen, die ihnen direkt den Weg ebneten. Von Blues über R&B bis hin zu Jazz – wenn man sich die Platten anhört, die in den Jahren der Beatlemania veröffentlicht wurden, entdeckt man eine Fülle von Inspirationen. Aber kein Genre fand direkt oder indirekt so viel Anklang wie der Country. Und kein Mitglied der Beatles brachte seine Liebe zu dieser Musik so entschlossen zum Ausdruck wie Ringo Starr, der bei seinen Auftritten mit der Band im Rampenlicht sowohl Country-Hits coverte als auch eigene Songs mit Hilfe von Leitfäden aus diesem Genre schrieb. Er war in erster Linie dafür verantwortlich, die Beatles in die rootsige Richtung zu lenken, die sie auf „Beatles for Sale“ einschlugen. Von Carl Perkins‘ „Honey Don’t“ und Buck Owens‘ „Act Naturally“ bis hin zu dem von ihm mitgeschriebenen Rubber Soul-Song „What Goes On“ ist die Liebe des Schlagzeugers zur Country-Musik gut dokumentiert. „Beaucoups of Blues“, Starrs zweites Soloalbum und sein erstes nach der Auflösung der Beatles im April 1970, wurde in Nashville mit Charlie Rich und Tammy Wynette-Sideman Pete Drake sowie lokalen Studiomusikern aufgenommen, die innerhalb einer Woche ein Album mit Country-Songs für den Briten schrieben. Und 55 Jahre später gibt es jetzt also die Rückbesinnung auf seine lebenslange Leidenschaft. Es ist also keine Überraschung, dass „Look Up“, Starrs 21. Soloalbum – sein erstes seit dem 2019er „What’s my name“ – zu einem musikalischen Gebiet zurückkehrt, zu dem er in den letzten fünf Jahrzehnten immer wieder mal sporadisch zurückgekehrt war. Eingespielt wurden die Tracks in Nashville und Los Angeles, unterstützt von Produzent T Bone Burnett, der an neun der elf Songs des Albums beteiligt war. Starrs Interpretation von traditionellem und modernem Country wird durch Gäste im Studio wie Alison Krauss, Larkin Poe, Lucius, Billy Strings oder Molly Tuttle verstärkt. Vom ersten Song „Breathless“ an, einem Rockabilly-ähnlichen Shuffle mit Bluegrass-Phänomen Strings an der Gitarre und dem Harmoniegesang, ist es schwer, sich nicht von Starrs ungekünsteltem Enthusiasmus anstecken zu lassen. Bei Tracks wie dem herzzerreißenden „Time on My Hands“, dem staubigen Americana von „Rosetta“ und dem abschließenden „Thankful“, dem einzigen Song, den Starr selbst geschrieben hat, zeigt er sich so engagiert wie seit Jahren nicht mehr. Zu den Highlights zählen auch Stücke wie „Never Let Me Go“ oderYou Want Some“. Der inzwischen 84-Jährige zeigt sich in seltener Hochform. Ringos Stimme hat ja eh diese angeborene Traurigkeit, und die passt nun mal ideal zu diesem Genre, in dem man bevorzugt über die Weite des Landes, den fernen Horizont oder den Highway singt. Es scheint, dass diesmal einfach alles gepasst hat. Die Zeit, die Songs, das Team, der Spirit. Selbst sein Schlagzeugspiel, jahrzehntelang von vielen massiv unterschätzt, klingt so verspielt, vergnügt und verjüngt wie lange nicht. „Das Ergebnis ist ein wunderbar charmantes, dezent nostalgisches, durchaus seichtes, aber nie kitschiges Album voller Roots-Flavour und Country-Spirit. Sir Richard Starkey tauscht den Pilzkopf gegen den Cowboyhut und singt sentimental und so berührend wie vielleicht noch nie vom Ende der Straße, von der Liebe, diesem irrwitzigen Leben und der Musik.“ ist in einer Besprechung zutreffend zu lesen. Es ist eine klare Hommage an das Genre, das er liebt, aber erfreulicherweise ohne altmodisch zu klingen. (Capitol) P.Ro

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