Heinz Grobmeier fühlt sich vor allem in der Nische wohl: In jenen Ausbuchtungen also, die es gestatten, abzubiegen, sich auszuklinken und jene Pfade zu verlassen, die von so vielen schon ausgetrampelt wurden. Dort, an den Rändern, ist er sein ganzes Leben lang schon unterwegs. Und er liebt daran vor allem die „Konkurrenzlosigkeit“, wie er sagt. Hier kann er seine zahllosen Alleinstellungsmerkmale präsentieren. Und am Ende immer sein eigenes, höchst persönliches musikalisches Ding drehen. Diese Verortung, sie bringt es mit sich, dass ihm eine Berufsbezeichnung gar nicht reicht. Weshalb der gebürtige Niederbayer, der in Hemau lebt, sich nicht nur als Multiinstrumentalist und Komponist versteht, sondern auch als Klangarchitekt, als Performer und als Instrumentenbauer.
Dieser Anspruch, der ihn im Laufe seines Lebens musikalisch von der Gregorianik über den Jazz auch zur Weltmusik und zu Klangbildern geführt hat, der ist so vielgestaltig, dass er ihm als Solist zwar gerecht werden kann. Es aber auch nicht schadet, wenn er Freunde um sich schart. Und für jeden einzelnen von ihnen, mit denen er da an diesem so dichten Abend, da reicht ein „sehr“ gar nicht aus, um die Dauerhaftigkeit ihrer Beziehung zu beschreiben – weil sie eben einzeln oder auch zu mehreren schon „sehr sehr lange“ mit ihm, dem Heinz, zusammenspielen. Der Saxophonist Bertl Wenzl (gemeinsam mit ihm und dem vor zehn Jahren verstorbenen Norbert Vollath bildeten sie jene Band, die frecherweise dem Blasmusikinbegriff „Egerländer“ ein die Wurzeln des Jazz benennendes „N“ vorangestellt hatte), der Pianist Fredy Granzer (der sich an diesem Abend vor allem aufs Akkordeon konzentriert und damit viel frankophile Melancholie verbreitet) und die beiden Percussionisten Frank Wendeberg und Helmut C. Kaiser, sie sind jene „Friends“, die zu den multiplen Ideen von Heinz Grobmeier ihre eigenen klanglichen Facetten beisteuern.
Allein die Namen der Instrumente, die sie hier auf der Bühne versammelt haben (und die nur ein kleiner Teil des Fundus sind, die die Fünf zu bieten haben), sie entwickeln bei der Nennung schon eine eigene poetische Magie: Denn da sind flötenartige Instrumente wie das „Deutsche Heidschnucken Bordu-Horn“ ebenso vertreten wie die aus Shanghai stammende „Double Okarina“ – denen Heinz Grobmeier ganz bewusst sein soeben erst bei Yamaha gekauftes mattschwarzes digitales Saxophon gegenüberstellt. Um so die Kontraste zu betonen, zwischen uralten Instrumenten, die die Menschheitsgeschichte begleiten, und einer High Tech-Variante. Frank Wendeberg wiederum ist wohl einer der wenigen Musiker in Europa, der eine Array-Mbira (eine 140-züngige Kalimba) besitzt und meisterhaft zu spielen versteht. Und mit Helmut C. Kaiser, der zwei riesige Gongtrommeln dabei hat, hat Heinz Grobmeier schon den afrikanischen Kontinent erforscht.
Was das Quintett in den rund zwei Stunden zu Gehör bringt, spiegelt genau diesen globalen Anspruch wider, den die Instrumente setzen: In einem Stück, da grooven sie sich zusammen ein, mit aus Indonesien stammenden „Schüttelidiophonen“ – und da läutet Heinz Grobmeier nach zwölf Spielminuten das Ende mit einem wunderschönen Satz ein, der auch als Motto über diesem gesamten Programm stehen könnte: „Wir hätten noch ewig weiterspielen können!“ Denn genau das transportiert dieser Abend, an dem das Publikum immer wieder unwillkürlich lachen muss: Dass das eine Musik ist, die angesiedelt ist zwischen strengem Konzept und dem Witz der Improvisation, die klanglich zwischen Kontinenten und Epochen changiert und keinen Anfang und kein Ende kennt. Sie will „zeitlos“ sein. Und schwingt sich dabei auf und wird zum Echo der Ewigkeit. Sodass man nach der zweiten Zugabe sagen kann: Heinz Grobmeier, dieser musikalische Schamane, und seinen Freunden: Spielend und spielerisch zugleich gelingt es ihnen, die ganze Welt des Klangs einzufangen. (Peter Geiger)