Natürlich schwingt da immer eine ganze Menge Stolz mit, wenn davon die Rede ist, dass sich Regensburg als die „Indie-Hauptstadt“ von Bayern bezeichnen lassen darf. Wenn also Säm Wagner, der Beauftragte für Popularmusik beim Bezirk Oberpfalz und sein Kollege Lukas Schätzl vom Verband für Popkultur in Bayern hier im Degginger bei der Fachkonferenz „Dialog Pop“ Zahlen präsentieren, wird sofort deutlich: Bei Lichte betrachtet überstrahlt Regensburg alle anderen bayerischen Kommunen, erhält es doch fast genauso viele Fördermittel (für die Jahre 2022 und 2023 rund ein Viertel aus dem Gesamttopf) wie die Landeshauptstadt München (rund ein Drittel) – die aber das Zehnfache an Einwohnern vorzuweisen hat.
Das ist auch der Grund, weshalb Bayerns Kunstminister Markus Blume in einer Videobotschaft verkündet, die Fördermittel seien also hier bestens angelegt – weshalb er Regensburg den Ehrentitel „Pop-Perle“ verleiht. Aber nicht nur Politiker seien es, die aufmerksam auf das vielfältige Geschehen in Regensburg schauen. Säm Wagner erzählt, dass er kürzlich die Rapperin Fiva getroffen habe: Und die wollte von ihm wissen, ob er so etwas wie ein Rezept zur Verfügung habe, für das Popphänomen Regensburg.
Aber auch die Verantwortlichen selbst scheinen manchmal gar nicht ganz genau zu verstehen, weshalb mit Bands wie den Some Sprouts oder Telquist, den Komets, den Moon Mates oder Bruckner in den letzten Jahren etwas herangewachsen ist, was auf den Streamingplattformen millionenfache Klicks generiert. Die Letztgenannten etwa waren kürzlich in Hamburg zu Gast, in der Elbphilharmonie, wo Lucas Adlhoch (das ist der, der als Marlin Beach auch hohe Klickzahlen einfährt und gleichzeitig als Musiker, Produzent und Mixer als Mastermind im Hintergrund agiert) für den Sound verantwortlich war und so Gelegenheit hatte, an der Elbe vorzuführen, was in heimischen Gewässern an Perlen heranreift.
Gleichzeitig sind die Karrieren von Bands wie Bruckner aber auch untrügliches Zeichen für eine für Regensburg typische „gläserne Decke“: Was Lukas Schätzl damit sagen möchte? Aufgrund der Größe (man könnte auch sagen: mangelnden Größe) der Stadt ist die Attraktivität des Standorts eingeschränkt – und viele Bands wie beispielsweise die Komets finden sich hier zwar zusammen, wachsen zur Formation und unternehmen die ersten Schritte, hoch auf die Bühne. Irgendwann aber verlassen sie Regensburg. Ganz einfach, weil für eine wirkliche Pophauptstadt dann zu viel an jener Infrastruktur fehlt, die für eine echte Kapitale nötig wäre.
Ewiges Desiderat, schon seit 40 Jahren, ist eine Halle, die größer als die Mälzerei ist, aber kleiner als die Donau-Arena. Also das, was Veranstalter Alex Bolland eine „Tausender-Halle“ nennt – und was Regensburg immer wieder kurzzeitig hatte, denkt man zurück, etwa an die Donauhalle, den Kulturspeicher oder ans Mischwerk. Kulturreferent Wolfgang Dersch, der ebenfalls auf dem Podium Platz genommen hat, kann diesbezüglich zwar keine Zusagen machen – aber er verspricht dem Publikum immerhin, dass bei der künftigen Flächennutzungsplanung der Stadt Regensburg kulturelle Spielstätten essentieller Bestandteil sein sollen – und dass er sich, der ja auch Posaunist mit abgeschlossenem Konservatoriums-Studium ist, dafür persönlich ins Zeug legen will.
An Stefan Glufke von der Alten Mälzerei wiederum ist es, ein bisschen Donauwasser in den perlenden Schampus zu gießen: Ob es tatsächlich machbar ist, ein solches Hallenprojekt seriös zu finanzieren – nötig dafür wären 200 Veranstaltungen pro Jahr mit entsprechend guter Auslastung – daran hat er, der über tiefe Einblicke ins Konzertbusiness verfügt, echte Zweifel. Lukas Schätzl ist in diesem Punkt wesentlich optimistischer: Er glaubt, dass Regensburg eben nicht nur mit dem Pfund der eigenen Einwohnerzahl und der rund 30.000 hier Studierenden wuchern kann, sondern dass der gesamte ostbayerische Raum als Einzugsgebiet und damit als Ressource dienen kann. Um damit genau das zu befördern, was Sebastian Knopp von der „Kreativbehörde“ der Stadt Regensburg als „weichen Standortfaktor“ bezeichnet: Die Lebensqualität von Städten wird heutzutage am kulturellen Angebot gemessen. Das kann David Boppert, der als Geschäftsführer von der Münchner Kultur GmbH über intime Branchenkenntnis verfügt, nur bestätigen: Und ermutigt die Regensburger, sich zusammen zu schließen und sich bürgerschaftlich zu engagieren – für die Bereiche des Pop. Was last but not least die Kulturberaterin Marion Schmid von der Organisation „blooom“ – neben Moderatorin Franziska Glaser die einzige Frau auf dem Podium – nicht müde wird zu betonen: Diversität zu fördern. Um so der Vielfältigkeit nicht nur der urbanen Strukturen hier in Ostbayern gerecht zu werden. (Peter Geiger)
Info:
Die Dialog Pop findet seit 2018 jährlich als Fachkonferenz zur Popularmusikförderung in der Bayerischen Musikakademie Schloss Alteglofsheim bei Regensburg und 2024 zum ersten Mal im Degginger in der Regensburger Altstadt statt. Der Think-Thank befasst sich mit aktuellen Themen der Popmusikbranche und die Zielgruppe sind Akteur:innen in der Popmusikförder-Landschaft aus ganz Deutschland sowie der angrenzenden Ländern. Die Dialog Pop schließt die Vernetzungs-Lücke zwischen Szene-, Popfördernden und Fördergebenden auf kommunaler, landes- und bundesweiter Ebene, um im Bereich der Popmusikförderung gute und sinnvolle Programme zu kreieren und durchzuführen und der gesamten Branche eine Perspektive zu geben. Die Zusammenarbeit von Popmusikbranche und Politik soll gestärkt und Barrieren abgebaut werden.