Harmonie und Spannung, Sanftheit und Stärke – selten sind Kontraste so spürbar und nah wie bei einem Paar. Im aktiven Dialog der musikalischen Zweierbesetzung, im ständigen Geben und Nehmen, Zuhören und Kommunizieren, Fordern und Fördern. Die beiden ECHO-Jazz-Preisträger NILS WÜLKER und ARNE JANSEN sind in ihrem gemeinsamen Duo-Programm „Closer“ herrlich unterschiedlich und angenehm überraschend, erzählen spannende Geschichten mit neuen Eigenkompositionen, Interpretationen aus dem Repertoire der beiden Leader und Cover-Versionen einiger ihrer liebsten Pop- und Rock-Songs. Auf dieser Tour stand das Duo im November 2023 auf in Regensburg im Leeren Beutel beim Jazzclub auf der Bühne – und jetzt gibt es diesen Longplayer als Ergebnis der Konzerte im November 2023 und März 2024. Und es ist mehr als die Fortsetzung, eher eine Steigerung: Mit diesem Album zünden sie konsequent die nächste Entwicklungsstufe. „In Concert“ ist dabei auch in der Präzision des Augenblicks und durch die Weite der Klangräume viel mehr als ein weiteres Livealbum: in dreizehn spannenden und gleichzeitig gelösten Konzertmomenten macht dieses, Nils Wülkers vierzehntes, Album, aus der instrumentalen, gekonnt elektronisch unterstützten Reduzierung auf das Zusammenspiel von Trompete und Gitarre ein neues, organisch gewachsenes Kunstwerk. „Gegenüber unserem Studioalbum ist noch viel mehr Interaktion hinzugekommen“, sagt Nils Wülker, der die Musik für „In Concert“ auch im eigenen Studio gemischt hat. „Es macht uns zunehmend Spaß, die technischen Möglichkeiten auszunutzen, aber mittlerweile sind wir dabei wirklich völlig frei – miteinander und mit der Technik, die uns wie die Instrumente in Fleisch und Blut übergegangen ist.“
Schon der Opener „YaYaYa“, eine instrumentale Version dieser Ballade des australischen Singer/Songwriters RY X, schafft diese besondere, innige Stimmung, die sich durch die gesamten 69 Minuten des Albums zieht. Es spricht für die beiden Musiker, für die Musik an sich, aber auch für ihr Publikum, dass man die knisternde Live-Atmosphäre eingangs eher spürt als hört. Die Zuhörenden sind euphorisch, aber ruhig, nahezu andächtig und konzentriert, egal ob stehend in der Hamburger Fabrik oder gesetzt im Münchner Prinzregententheater. Mit dem Applaus wird oft bis weit in den Ausklang der letzten Töne abgewartet – anschließend brandet er umso begeisterter auf. Schon im Rahmen der Live-Auftritte zu „Closer“, das auf Platz #6 der Jahrescharts, Platz #15 der Album- und Platz #1 der Jazzcharts landete, war oft die Rede davon, wie überraschend abwechslungsreich das Duo-Programm auch im Konzert ist. „In Concert“ folgt der Live-Dramaturgie und lässt auf die schwelgerischen Melodien zum Einstand bald das energische „Deep Dive“ folgen, eine Lektion im organischen Verweben von geloopten Rhythmen und der gemeinsamen und gegenseitigen Steigerung der beiden Musiker. Die Spannungsbögen, die dabei auf- und ausgebaut werden, entstehen dabei immer wieder neu – und wirken mit jedem Mal mehr. Wie etwa in einer Interlude von Trent Reznors „Hurt“ zu „Let’s Go Out Tonight“ von The Blue Nile, die auf gefühlvollste und melodischste Art und Weise frei improvisiert ist. Auch hier zeigen sich die Stärken des „großen Melodikers“ (Die Zeit) Wülker: die Motiventwicklung und der melodische Aufbau schaffen viel Platz in den Soli und mehr Raum in der Interaktion. Die besondere Qualität im Zusammenspiel von Nils Wülker und Arne Jansen, die über acht Alben und weit mehr Jahre gewachsen ist, zeigt sich auch in „Closer“-Versionen dreier Stücke, die zuvor nur in größerer Instrumentierung erschienen sind. Etwa „Wanderlust“, das ursprünglich 2017 auf dem Studioalbum „On“ zu hören war. Die Live-Version eröffnet dem Duo völlig neue Möglichkeiten, die in einem gefühlvollen Frage-Antwort-Spiel von Trompete und Gitarre gipfeln. „Highline“ stammt vom 2020er Bandalbum „Go“. Ursprünglich ein Trompeten-Duo mit Wülkers amerikanischem Kollegen Theo Croker, wird der Song hier zu einem funky Showcase der beiden Musiker, bei dem beide nicht nur zeigen, was sie können, sondern vor allem, wie elegant und eng sie ihre musikalischen Ideen miteinander verweben. Zum Ausklang spielen sie die schwebend glitzernde Ballade „Rays Of Winter Sun“, die bisher nur digital im Rahmen einer im letzten Winter erschienenen EP veröffentlicht wurde. Ein kraftvolles, in sich ruhendes Finale dieses Livealbums und ein eindrucksvolles Statement der kombinierten Entwicklung dieses hochkarätigen Duos. Absolut gelungen! (Warner Music) P.Ro
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