altemaelze

The Hunting Party

Blind Ego

Fünftes Studio-Album des Solo-Projekts von Kalle Wallner

BLIND EGO ist das Soloprojekt von Kalle Wallner, des Gitarristen der deutschen Vorzeige-Artrock-Band RPWL. Und mit „The Hunting Party“ präsentiert er das bereits fünfte Studio-Album dieses Projekts, und im Vergleich zu seiner Hauptband RPWL wird hier das Pedal deutlich zugunsten von Rock- und Metal-Elementen durchgedrückt. Dabei stand das letzte Album „Preaching To The Choir“, erschienen im Februar 2020, unter keinem guten Stern. Für viele Fans waren die Konzerte im Frühling 2020 die letzten unmittelbar vor dem Corona-Lockdown und für viele Monate die letzten Konzert-Erlebnisse. Auch alle weiteren Konzerte von BLIND EGO konnten nicht stattfinden und so wurde das Projekt abrupt ausgebremst. Wallner wurde jedoch keineswegs langweilig. Mit Drummer Marco Minnemann produzierte er im Lockdown sein persönliches „Corona-Instrumental-Album“ namens „Voices“ mit nur einem von Arno Menses (Subsignal) gesungen Song. Und nun erscheint sein neues Album mit einem Novum. Wallner hat zwar erneut mit Autor Dominik Feiner zusammengearbeitet, nur war dieses Mal der Workflow genau umgekehrt: Die Texte entstanden zuerst und Wallner komponierte die Musik dazu. „Ich suche immer nach neuen Herausforderungen, wie zum Beispiel bei RPWL im Team zu einem bestimmten Thema zu schreiben. ‚Voices‘ war quasi ein Instrumental-Album und nun habe ich zum ersten Mal zu fertigen Texten komponiert, anstatt die Lyrics zur Musik zu finden.“ erklärt Wallner. Diese Inspiration hört man den Songs an: sie klingen frisch und unverbraucht, sie sind sehr abwechslungsreich, haben harte und weiche Töne, sind mal treibende und durchaus komplexe Rock-Songs und mal Balladen. Alle diese Elemente vereinigen sich auf „The Hunting Party“ zu einer ganz besonderen Einheit.
Die Lyrics der sieben Songs können dabei sehr unterschiedlich interpretiert werden: auf eine sehr persönliche, jedoch auch auf eine nach außen gerichtete, gesellschaftliche Weise. Man kann dabei jederzeit „Jäger“ aber auch „Gejagter“ sein. Wallner sagt dazu: „Ich mag Lyrics, in die man sich hineindenken kann und die genug Platz für eigene Gedanken und Spekulationen lassen.“

Zum gelungenen Gesamteindruck des Albums trägt neben Wallners markantem Gitarrenspiel vor allem der Sänger Kevin Kearns bei. Kearns, der bei seiner eigenen Metalcore-Band Cyant normalerweise ganz andere Töne anschlägt, entpuppt sich als Idealbesetzung: er interpretiert die Songs auf „The Hunting Party“ ganz besonders emotional, nimmt einen durch alle leisen und lauten Passagen mit – mal schnörkellos, mal filigran, aber immer höchst ausdrucksstark und voller Energie strotzend. Dazu gesellen sich erneut Ausnahme-Drummer Michael Christoph und Wallners langjähriger musikalischer Weggefährte Yogi Lang (RPWL), der dem Album nicht nur als Mitproduzent und Keyboarder seinen Stempel aufdrückt, sondern sich auch für den glasklaren Mix und das Mastering verantwortlich zeigt. Schon der Titelsong beinhaltet sowohl die melodischen als auch die komplexen Elemente von BLIND EGO und katapultiert den Hörer mitten rein in das Album. Darauf folgt mit „The Stranger“ ein wunderbarer klassischer Rock-Song mit Mitsing-Potential. „Spiders“ ist ein richtiger „Up-tempo Rocker“, ehe sich die erste Hälfte mit „Boiling Point“ sehr dynamisch im Alternative-Stil zu Ende neigt. „In a Blink of an Eye“ hat ein sehr unkonventionelles Arrangement, steigert sich von Strophe zu Strophe, bis er sich endlich in seine ganze brachiale Wut entlädt. Kevin Kearns führt hier den Hörer atemberaubend durch alle emotionalen Höhen und Tiefen, ehe die Wogen ruhiger werden und der längste Song des Albums mit einen wunderschönen Gitarren-Solo schließt. Nicht zuletzt wegen solcher Soli fällt einem bei Wallner sehr schnell der Vergleich zur Pink Floyd-Ikone David Gilmour ein. „Dieser zentrale Song umfasst sehr gut dieses ganze Album. In einem einzigen Augenblick kann sich das Leben komplett ändern. Nicht nur das eigene, sondern auch das einer ganzen Gesellschaft bzw. Nation. Wir leben in sehr unruhigen und beunruhigenden Zeiten.“ beschreibt Wallner. Es folgt „Breathless“, das mit seinen harten Riffs und Kanten fast schon eine Progressive Metal-Statement setzt. Wallner entlässt den Hörer aus „The Hunting Party“ mit der wunderschönen melancholischen Ballade „When the Party’s Over“ in ein offenes Ende. (GAOM) P.Ro

*****

******* = genial / ****** = phänomenal / ***** = optimal / **** = normal / *** = trivial / ** = banal / * = katastrophal