Als „Ein Roman wie ein Ozean“ wird „Moby Dick“ im Programmheft des Theater Regensburg angekündigt. Die Kurzfassung als Jugendbuch dürfte Vielen bekannt sein, die vor einigen Jahren neu übersetzte Originalfassung von 1851, die immerhin 900 Seiten umfasst, ist wohl Wenigeren geläufig. Wieso sollte also ein solches Mammutwerk als Drama auf die Bühne geholt werden?
In eindreiviertel Stunden wird diese Erzählung in der Inszenierung von Anais Durand-Mauptit auf der Bühne ausgerollt. Wie der junge Ismael im Hafen von Nantucket auf den Harpunier Qeequeg trifft und von diesem auf den Walfänger mitgenommen wird, wie die ersten Walsichtungen ablaufen, wie die Waljagd abläuft, wie das Zerlegen des gefangenen Wals vonstatten geht – das sind die wohl gelungensten Szenen an diesem Abend. Da wird Joscha Eißen mit viel Kunstblut übergossen und in eine Klarsichtfolie gewickelt, quasi als Gegenbewegung zum Schälen des Walfetts vom Kadaver, um anschließend die Verwertung des Tiers zu zelebrieren und die abgebissenen, blutigen Folienstücke über den Ozean zu verteilen, endend in einer Orgie des Lebens auf dem Schiffsdeck im unendlichen Ozean. Da werden die Walgesänge von den drei Spielern über offene Flaschen geblasen, die Schritte des Ahab mit der Beinprothese aus Walknochen über ein Micro auf einem Pult imitiert, viele Geräusche über Loops eingespielt. Das gelingt den drei Akteuren Gerhard Hermann, Thomas Mehlhorn und Joscha Eißen eindrucksvoll. Allerdings driftet das Spiel zuweilen ab bis an den Rand des Klamauks, wenn beispielsweise die verschiedenen Darstellungen von Walen in der Kunstgeschichte als Schulstunde vorgeführt werden.
Dazwischen blitzen die philosophischen, ökonomischen und psychologisierenden Elemente des Romans auf, die wütende Zerrissenheit von Ahab, die rationalen Überlegungen des Harpuniers Starbuck, die lebensbejahenden und in die Zukunft gerichteten Gedanken des jungen Ismael: was ist, wenn alle Wale erlegt sein werden, was werden sie dann noch jagen können? Ismael, der den „nassen Teil“ der Welt kennenlernen wollte, ist am Ende der Einzige, der diese Walfahrt überlebt, er kann sich das Goldstück, das Ahab für den Tod seines tierischen Feindes ausgelobt hat, holen. Kapitän Ahab jagt den Wal bis zum bitteren Ende, bis das Schiff mitsamt der übrigen Mannschaft wird vom Wal versenkt wird.
„Auch heute noch überzeugt die Geschichte durch zeitlose Motive und den Versuch, die komplexen Zusammenhänge zwischen Welt, Gott, Mensch und Natur zu erklären“, heißt es im Programmheft. Das mag wohl für das Rahmenthema dieser Spielzeit gut passen, so ganz überzeugen konnte das Drama allerdings nicht. (arm)
(Fotokredit: Theater Regensburg)